Eingeschränkte Wahrnehmungen, felsenfeste Meinungen und zweifelhafte Glaubenssätze
Nicht selten sind wir uns unserer Wahrnehmungen und Meinungen so sicher, dass wir sogar Glaubenssätze für unbezweifelbare Gewissheiten halten. Wir könnten uns allerdings auch der Beschränktheit unserer Sinne und der (mindestens dadurch) eingeschränkten Erkenntnisfähigkeit unseres Gehirns bewusst werden:
Was sehen wir?

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektromagnetische_Welle, GFDL, Source: Horst Frank, Jailbird and Phrood, Author: Horst Frank / Phrood / Anony
Die Augen sind die Quelle für etwa 85 Prozent unseres Wissens über unsere Umgebung. Sie verarbeiten ca. 35.000 Eindrücke pro Stunde und können dabei bis zu 65 Prozent der Gehirnkapazität beanspruchen. Trotzdem sind das Licht, die Farben und die Bewegung, die wir wahrnehmen können nur ungefähr 1% des Spektrums aller messbaren elektromagnetischen Wellen. Zusätzlich ist „Sehen“ kein passiver Vorgang, sondern die aktive Aufnahme und Verarbeitung von visuellen Reizen, bei der unsere Aufmerksamkeit nur die für uns relevanten Informationen selektiert und die Erkennung sowie die Interpretation von Details durch Abgleich mit bestehenden Erinnerungen stattfindet. Die visuelle Wahrnehmung des minimalen, für uns erfassbaren Spektrums geht weit über das reine Aufnehmen von Information hinaus. Sie wird gefiltert durch Wissen (wie sicher?), Erfahrungen (wie interpretiert?), kulturelle, sowie soziale Prägungen und daraus abgeleitete Werte, Überzeugungen, Glaubenssätze, (Vor-?) Urteile. Unser Gehirn kreiert quasi auf schmaler Informationsbasis die Wirklichkeit, in der wir (zu) leben (glauben).
Es gibt im Tierreich einige Spezies, die zumindest deutlich mehr visuelle Informationen empfangen: Fliegen sehen quasi in Zeitlupe, Bienen und viele Zierfische können UV-Licht sehen, Schlangen Infrarot, ein Falke z.B. eine Taube aus 8 Km Entfernung.
Was hören wir?
Obwohl die Wissenschaft gerade in letzter Zeit heftig forscht, ob und wie viel wir vom „eigentlich“ für den Menschen für unhörbar gehaltenem Infraschall (Frequenzen unter 16Hz) und Ultraschall (Frequenzen über 10.000 Hz) wirklich wahrnehmen, macht die Spanne der von Menschen hörbaren Frequenzen weniger als 1% des akustischen Spektrums aus. Zusätzlich hören wir meist schlechter wenn wir älter werden, aber auch, je satter wir sind ;-).
U.a. Fledermäuse, Elefanten, Hunde, Luchse, Pferde, Delphine und Buckelwale hören deutlich besser als wir Menschen.
Was fühlen wir?
Äußeres, wie z.B. mit dem Tastsinn oder der Haut Wahrnehmbares (Temperatur, Schmerz, Vibration, Oberflächenstruktur), Inneres, wie z.B. unser Körpergefühl (Druck, Dehnung, Spannung, innere Schmerzen) , aber auch Relatives, wie z.B. die Lage und Beschleunigung unseres Körpers in Relation zur Außenwelt (Gleichgewichtssinn).
Was wir beispielsweise überhaupt nicht spüren, ist die Tatsache, dass unsere Körper sich permanent mit der Erdrotation drehen und sich mit dem Erdball ca. 220 Kilometer pro Sekunde durch das Weltall bewegen.
Auch hier haben einige Tierarten Fähigkeiten, welche die vergleichbaren menschliche Sinne bei Weitem in den Schatten stellen. Fische haben z.B. erstaunliche feine Antennen für Druckveränderungen im Wasser über große Distanzen, Schlangen haben eine übermenschlich feine thermische Wahrnehmung und Katzen, Spinnen und Insekten haben eine unfassbare differenzierte Wahrnehmung von Erschütterungen.
Wir können z.B. auch nicht fühlen, dass unsere Körper aus Atomen bestehen, die nur etwa 0,0000000000000001 des Raumes beanspruchen, den unser Körper einnehmen. Der Rest ist Luft, quasi Zwischenraum zwischen den Atomkernen und den um sie herum kreisenden Elektronen. Das gesamte System ist in permanenter Bewegung. Zusätzlich gibt es 10 Billionen lebende Zellen im menschlichen Körper, wovon täglich 130 Millionen Zellen absterben und erneuert werden. Unsere Haut z.B. ersetzt sich im Laufe eines Lebens ungefähr 900 mal selbst. Da Sie vermutlich älter als 10 Jahre sind, wenn Sie diesen Artikel lesen, wird Ihr Körper keine einzige mehr von den Zellen besitzen, mit denen Sie geboren wurden.(Trotzdem bleiben bei jeder Regeneration unsere alten Narben und Falten erhalten. Warum?)
Unser Herz schlägt ca.100.000 Mal am Tag, ca. eine Million Mal in zehn Tagen, etwa 37 Millionen mal pro Jahr und etwa 2,6 Milliarden mal in einem 70 Jahre dauernden Leben. Es pumpt ungefähr 7.200 Liter Blut pro Tag. Wir atmen ca. 450 Liter Luft pro Stunde. Wir sind morgens ca. 1 Zentimeter größer als abends. Von all dem bekommen wir höchst selten etwas mit. Höchstens bei großer Aufregung oder Fehlfunktionen.
Auf der Haut eines Menschen existieren mehr Lebensformen als Menschen auf der Erde. Der menschliche Körper beherbergt rund 100 Billionen Bakterien. Sie sind ein notwendiger Teil unseres Organismus. Wir brauchen sie zum Überleben. So befinden sich selbst auf einer sauberen Hand 200 bis 1000 Exemplare pro Quadratzentimeter. Dies alles entzieht sich gewöhnlich unserer Wahrnehmung.
Was schmecken und riechen wir?
Unser Geschmacks- und Geruchssinn ist durch Erfahrung sensibilisiert und/oder desensibilisiert. Unsere Wahrnehmungsorgane sind dadurch kalibriert und somit sehr individuell ausgeprägt und empfindsam.
Der Geruchssinn von Elefanten, Hunden und Katzen ist allerdings sehr viel ausgeprägter als bei Menschen.
Was ist mit elektrischen und magnetischen Feldern?
Viele Raubfische können elektrische Felder fühlen, um ihre Beutetiere aufzuspüren. Zugvögel z.B. nehmen die magnetischen Felder der Erde wahr, um damit zu navigieren. Menschen nehmen elektromagnetische Felder nur wahr, wenn sie so stark sind, dass sie zu akuten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Belastungen unterhalb dieser Schwelle werden meist erst bei Auftreten der Langzeitwirkungen sichtbar.
Was kommt überhaupt bewusst in unserem Gehirn an?
Das menschliche Gehirn verarbeitet jede Sekunde rd. 11 Millionen Informationen, jedoch nur 40 davon bewusst. Auf den Rest haben wir keinen willentlichen Zugriff.
Das Speichervermögen des Kurzzeitgedächtnisses hat bei den meisten Menschen Platz für fünf bis neun Gegenstände oder Zahlen (das ist z.B. ein Grund, warum gewöhnlich Telefonnummern mit bis zu sieben Zahlen leichter zu merken sind, als längere). Sind Situationen darüber hinaus komplex (>9 Einzelfaktoren), erinnern wir sie nur bruchstückhaft.
Fazit:
Bedingt durch unsere eingeschränkte Wahrnehmung der Umwelt und unseres Selbst, durch die gefilterte Verarbeitung und die individuelle Interpretation des Wenigen, was überhaupt in unserem Bewusstsein ankommt, kann jede Meinung „eigentlich“ immer nur eine vorläufige unter Vorbehalt der Korrektheit der verarbeiteten Informationen sein.
Glauben wir nicht alles, was wir denken.
Die uns zur Verfügung stehenden Informationen beeinflussen das Ergebnis manches Mal in überraschender Weise.
Es lohnt sich daher i.d.R. nicht, über Meinungen oder gar Glaubenssätze zu streiten.
Quellen z.B.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinnesphysiologie
https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrnehmung
https://de.wikipedia.org/wiki/Visuelle_Wahrnehmung
https://de.wikipedia.org/wiki/Elektromagnetisches_Spektrum
https://de.wikipedia.org/wiki/Auditive_Wahrnehmung
https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgewichtsorgan
https://de.wikipedia.org/wiki/Sensibilit%C3%A4t_%28Neurowissenschaft%29
http://www.welt.de/wissenschaft/article1901138/Goldfische-sehen-besser-als-Menschen.html