Rhetorik: Hier verrate ich Ihnen ein sensationelles Geheimnis. Unglaublich aber wahr! 100% sicher. Nur für kurze Zeit!!!
Wahnsinn, phantastisch, geheim, verrückt, ein Wunder!!!
Wenn wir solche Formulierungen lesen, dann wissen wir: Hier will jemand ohne (angemessene) Gegenleistung an unser Geld, will uns über den Tisch ziehen, betrügen, ausbeuten.
• Glück, Erfolg, ein vier- oder fünfstelliges Monatseinkommen mit 4 Stunden Arbeit pro Monat, wahlweise Wundermittel für überirdische Schönheit, ewige Jugend und lebenslange Gesundheit!
• Todsichere Systeme / Tipps / Tricks, um ohne jede Verpflichtung
– Lotto-, Aktien- oder Währungsspekulationsmillionär
– oder sowieso und irgendwie unvorstellbar reich in 14 Tagen
– ein unwiderstehlicher Stenz oder der beste Liebhaber oder was auch immer der Welt
– ein super Waschbrettbauchbesitzer in nur zwei Wochen (ohne Anstrengung) zu werden oder
– das Idealgewicht in drei Wochen (ohne zu Hungern)
zu erreichen.
• Erstmals die Geheimnisse, mit denen (Multi-) Millionäre (wahlweise Milliardäre) ohne sich anzustrengen ihr phantastisches Vermögen erworben haben. Ohne Vorkenntnisse und für Jedermann und in kürzester Zeit und unglaublich einfach nachzumachen.
• Sie haben gewonnen (ohne das Sie irgendwo mitgemacht haben) – ein Auto, einen Batzen Geld bei einer Ihnen völlig unbekannten portugiesischen Euro-Lotterie, Sie müssen nur noch … Kontakt aufnehmen, einen kleinen Betrag vorauszahlen … usw., usw.
• Jemand hat sich in Ihr Bild / die Art wie Sie schreiben / Ihre Stimme verliebt – bereits nach kurzer Zeit und auf eine große Distanz
• Ein Ihnen nicht bekannter Banker aus Nigeria will Ihnen ein paar Milliönchen von einem verwaisten Konto dafür zahlen, dass Sie Ihre Bankverbindung zur Verfügung stellen und sofort … Kontakt aufnehmen, einen kleinen Betrag vorauszahlen … (Sie wissen schon)
• Retten Sie Ihr Geld vor
– dem Fiskus
– dem nächsten, kurz bevorstehen Crash der Märkte, des Währungssystems, des Rentensystems oder was auch immer.
• Als ehemaliger Banker hier noch meine Finanzierungsfavoriten: Absolut, vollkommen kostenlos, gratis, Kredite, Handyverträge trotz eidesstattlicher Versicherung (früher Offenbarungseid), ohne Schufa, für Arbeitslose und Hartz IV Empfänger, ohne Bonität oder ohne Bonitätsprüfung, selbst ohne Einkommensnachweis!!! Bonus-Unsinn der Woche: Schuldenfrei (durch Umschuldung) werden!!!
Wenn wir zwei dieser Worte, resp. Formulierungen oder mehr als ein Ausrufezeichen pro Aussage!!! 😉 in einem Werbetext lesen, sollten bei uns sämtliche Alarmglocken klingen, denn:
Warum sollte uns ein völlig Fremder etwas schenken? Wieso uns diese sensationelle Chance offerieren, ganz leicht ein Vermögen zu verdienen, das er selbst, seine nahen Verwandten, Freunde oder gute Bekannte einheimsen könnten?
Heutzutage boomt das Geschäft mit allem, was die Menschen (angeblich) schlank, gesund, fit, sorgenfrei und begehrt werden lässt – in kürzester Zeit, ohne Anstrengung. Wie blöd muss man sein, um auf so etwas reinzufallen? Gar nicht. Es reicht völlig, Mensch zu sein. Die Gier nach Geld/Gewinn/Zuneigung, oder Angst, Lust und Mitleid steuern selbst die intelligentesten Exemplare des „Homo sapiens sapiens“. Kommt zeitlicher Druck dazu, Signale von Autorität und Seriosität (Wappen, Siegel, öffentliche Institutionen) werden wir leicht zu ersten Schritten verleitet – z.B. eine Mail zu schreiben, oder anzurufen. Jeder Schritt, den wir auf das Angebot zu machen, kreiert eine emotionale Verpflichtung und steigert die Wahrscheinlichkeit für den nächsten Schritt – z.B. Verschwiegenheit zu versprechen und vor allem natürlich Geld vorauszuzahlen – weil darauf läuft es immer wieder hinaus. Verrückter Weise empfinden die Meisten von uns nicht realisierte Gewinne schmerzhafter als reale Verluste. Einmal investiert, zieht dies weitere Zahlung nach sich. Verluste/Kosten sollen wieder „reingeholt“ werden.
Ende 2008 veröffentlichte der amerikanische Psychologie-Professor Stephen Greenspan ein Buch mit dem Titel „Annals of gullibility. Why we get duped and how to avoid it“ (Annalen der Leichtgläubigkeit. Warum wir uns einseifen lassen und wie es sich das vermeiden lässt). „Ein kaum erforschtes Gebiet“, sagt er selbst, „Überraschend ist, dass leichtgläubige Menschen keineswegs grundsätzlich dumm sind.“ Bestes Beispiel ist er selbst: Der Psychologe verlor viel Geld durch den Betrüger Bernard Madoff, der seine Kunden mit angeblich enormen Gewinnchancen verführte.
Sogar Sir Isaac Newton, einer der klügsten Männer seiner Zeit, fiel auf Anlagebetrüger herein, als 1720 die sogenannte Südseeblase platzte. Der Gründervater der modernen Physik verlor 20.000 Pfund, das 400fache Jahreseinkommen eines Handwerkers. Verwundert stellte er fest: „Ich kann zwar die Bewegungen von Himmelskörpern berechnen, aber nicht die menschlichen Verrücktheiten.“ (Quelle)
Auch und gerade bei Betrügereien mit Steuersparmodellen und hochverzinslichen Anlagen sind es immer wieder Ärzte, Wissenschaftler, Geschäftsführer und mittelständische Unternehmer, die ihr Geld mit leichtsinniger Vertrauensseligkeit verbrennen. Wir sehen – Leichtgläubigkeit hat wenig mit überschaubarer Intelligenz zu tun – eher mit dem Mangel an Lebenserfahrung und Menschenkenntnis.
Ein besonders beackertes Feld sind aktuell auch die „geheimen“ Tipps und Tricks, um im Internet in kurzer Zeit / ohne Vorkenntnisse / ein enormes Passiv-Einkommen zu erzielen. Wenn solche Angebote bei Ihnen ein Kribbeln auslösen, lesen Sie diesen Blogbeitrag.
Den Psychologen Professor Stephen Lea von der University of Exciter in England hat das Phänomen der Betrügerbriefe, der s.g. Scams, wissenschaftlich interessiert. Er versandte 10.000 betrügerische Lockbriefe und befragte anschließend die potentiellen Opfer. Seine überraschenden Erkenntnisse (Quelle):
• eine erhöhte Aufmerksamkeit schützt nicht vor Schaden: Je intensiver die Opfer ein Angebot studierten, desto wahrscheinlicher griffen sie zu.
• Wissen allein hilft offenbar wenig: Die Opfer hatten oft gute Fachkenntnisse in dem Geschäftsbereich, um den sich der Betrug drehte.
• Ignorieren ist der beste Selbstschutz: Wer schon beim ersten Satz Verdacht schöpft und den Rest gar nicht erst liest, tappt nicht in die Falle.
Bei dem s.g. Romance Scam (Quelle) geht es um Kontakt (wahrgenommen werden), Sex, Beziehung, Liebe (begehrt, gemocht, geliebt werden). Vorwiegend über Kontaktbörsen im Internet und Spam-Mails wird dies in Aussicht gestellt. Und natürlich braucht es Geld und immer mehr Geld – weil das personifizierte Versprechen auf eine bessere Zukunft selbst oder ein naher Verwandter in Schwierigkeiten gerät, der Flug vorausgezahlt werden muss (der dann jedoch scheitert), bis hin zur Rettung ganzer Clans in einem fernen Ausland vor Krankheit, Bedrohung, Not und Elend. Und selbst, wenn es dem Betroffenen unwahrscheinlich vorkommt und er den Betrug schon wittert – es könnte ja doch sein, dass da jemand ist, der sich in ihn verliebt hat. (Überraschender Weise hat eine Untersuchung ergeben, dass Romantiker besonders gefährdet sind. Wer hätte das gedacht?)
Hier nochmal das unglaubliche Geheimnis, das uns vor Enttäuschungen und dem Verlust unseres oft sauer verdienten Geldes schützen kann:
Wenn wir Briefe, Mails oder Anrufe erhalten, in denen zwei oder mehr der in diesem Blogbeitrag fett und kursiv geschriebenen Worte oder Formulierungen auftauchen – sofort wegwerfen, löschen oder auflegen. Das Gleiche gilt übrigens in der Regel auch für Aussagen mit mehr als einem Ausrufezeichen!!!
Fazit: Was zu gut ist um wahr zu sein, ist es wahrscheinlich auch.
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*lach* kaum habt ihr den Artikel veröffentlicht und mich verlinkt, bekomme ich ein paar Stunden später von „web-killer“ eine sehr freundliche Email, genau diesen Artikel zu löschen. 🙂
http://www.kolumne24.de/geld-verdienen-im-internet-betrug-oder-wahrheit
Herr Pott ist anscheinend sehr darum bemüht, sein Image im Netz zu verbessern.
Sehr schade. Trotzdem danke für Ihren Blog-Artikel.