Lift me up – Psychologie im Aufzug
Der Fahrstuhl – Ort der gemischten Gefühle und Versuchskäfig, um Instinkte, Reflexe und Sozialhierarchien live zu erleben. Mancher leidet dort unter zu wenig Distanz, bizarren Körperausdünstungen und hollywoodesken Assoziationen von steckenbleibenden Aufzügen.
Auch ohne innere Bilder von schreienden, im freien Fall unaufhaltsam nach unten stürzenden Menschen in einem Lift, gibt vielen bereits die nicht mögliche Einhaltung der gesellschaftlichen Distanzzone (1-2m) bei Fremden, oder der persönlichen Distanzzone (1m) mit Fremden oder entfernten Bekannten im Gespräch ein ungutes Gefühl. Regelrechte Beklemmung setzt dann bei etlichen ZeitgenossInnen ein, wenn in vollen Fahrstühlen sogar die intime Distanzzone (ca. 50 cm) nicht eingehalten werden kann. Generell gilt wohl: Je kürzer die Aufzugfahrt, je weniger Personen im Aufzug und je mehr davon wohlgesonnene, bekannte Menschen, desto ein besseres Gefühl haben die meisten von uns. Das verbreitete „Unwohlsein“ hat zwar durch die vermehrte Nutzung der Treppen durchaus gesundheitsförderliche Aspekte, allerdings kann uns das eigene Unbehagen um interessante Beobachtungen bringen:
So gut wie alle MitfahrerInnen stehen mit dem Gesicht Richtung Fahrstuhltür. Ältere Männer stehen zumeist …… an der hinteren Wand des Lifts, jüngere Männer eher in der Mitte und Frauen jeden Alters in der Regel ganz vorne mit dem Gesicht zur Aufzugstür. Männer mustern häufig sich selbst und die Mitfahrer direkt oder in angebrachten Spiegeln. Frauen versuchen eher, den Augenkontakt zu vermeiden (außer sie sind im Gespräch), betrachten allerdings andere, resp. sich selbst im Spiegel, wenn keine Männer im Fahrstuhl sind oder wenn sie allein fahren. Nur – was kann das bedeuten?
Es gibt bislang nur Vermutungen dazu – dass die Verteilung mit Geschlecht, Machtgefälle, Fluchtrichtung, Selbstsicherheit oder Schüchternheit zu tun hat, klar ist dies durchaus nicht. Was klar ist, ist die ungeheure Wirkung des „Gesetzes der sozialen Bewährtheit“. Sind im Aufzug instruierte MitfahrerInnen, die entgegen aller Wahrscheinlichkeit mit dem Gesicht zur hinteren Kabinenwand stehen, so folgen zufällige andere Fahrgäste diesem Verhalten in kürzester Zeit.
Ein interessantes und lustiges Video dazu.
Hier noch ein paar Knigge-Empfehlungen für FahrstuhlfahrerInnen
1. Bitte nicht im Aufzug telefonieren. Abgesehen vom Risiko einer abbrechenden Verbindung wirde das Interesse der Mitfahrer an unserer Privatsphäre völlig überschätzt.
2. Bitte die Mitreisenden nicht anstarren. Auch wenn Sie gerade den Film: „Männer, die auf Ziegen starren“ mit George Clooney in einer der Hauptrollen gesehen haben, ist es unhöflich, diese Experimente in der Öffentlichkeit nachzustellen.
3. Seien wir höflich und freundlich. Eine Begrüßung und ein Lächeln kann die Atmosphäre im Lift merklich entspannen.
4. Wird die Höflichkeit und Freundlichkeit erwidert, darf ein kleiner Smalltalk über die offensichtlichen Alltäglichkeiten (Wetter, Umbauarbeiten im Gebäude, Stockwerk- und Firmenzugehörigkeit) durchaus sein.
Zum Schluss noch ein Tipp: Auf Fahrstuhlknöpfen tummeln sich 40 mal mehr Bakterien als auf öffentlichen Toiletten – also nach Möglichkeit nach der Fahrt immer schön die Hände waschen, oder mindestens von Gesichtern fernhalten!
Quellen:
http://www.lounge.fm/2012/01/16/falls-mal-der-fahrstuhl-stecken-bleibt/
Der Lift als Labor, Burkhard Strassmann, Kölner Stadtanzeiger vom 22.04.13, Seite 4 Kolumne